Porträt

André Wellig, Leiter Marketing

André Wellig (*1986), ledig, Leiter Marketing bei der Jungfrau Region Tourismus AG seit 2015.

(März 2019)

 

Welche Fächer haben Sie an welcher Universität studiert?

Ich habe während meines Bachelorstudiums Geschichte (mit Schwerpunkt in Alter Geschichte) und Germanistik und während meines Masterstudiums Antike Kulturen und Antikekonstruktionen sowie Deutsche Literatur an der Universität Bern studiert.

Wann haben Sie sich für Altertumswissenschaften zu interessieren begonnen und gab es ein Schlüsselerlebnis, das Ihre Studienwahl massgeblich beeinflusst hat?

Mein Interesse an den Altertumswissenschaften erwachte bei mir während des Gymnasiums, im Lateinunterricht. Das Interesse lag damals vor allem auf der Geschichte und Mythologie der Antike.
Ein Schlüsselerlebnis gab es nicht. Es war vielmehr Schicksal, haha – nein, ich habe ein Jahr lang an der Universität Bern Sportwissenschaften studiert. Ich handelte mir eine Verletzung ein und brach mein Studium ab. Gottseidank. Ich hätte dort auch nicht reingepasst. Aus diesem Grund machte ich mein Nebenfach zum Hauptfach und konnte mich fortan ausgiebig den Altertumswissenschaften widmen – ohne zwischendurch in einer Turnhalle auftauchen zu müssen. Nach einem Semester war dann auch klar: Es war die richtige Entscheidung.

Hatten Sie vor dem Studium ein bestimmtes Berufsbild im Kopf, gab es für Sie Vorbilder?

Ehrlich gesagt wollte ich vor meinem Studium immer Sportlehrer werden (wie oben ausgeführt). Was für ein Irrtum. Das war wahrlich nicht meine Welt. Ergo hatte ich kein bestimmtes Berufsbild zu Beginn des Studiums der Alten Geschichte im Kopf. Offen gesagt: Soweit dachte ich erst gar nicht. Vorbilder gab es auch nicht – in meinem damaligen Kollegenkreis hatte niemand auch nur einen Fuss in der Altertumswissenschaft. Komplettes Neuland.

Wie haben Sie das Studium erlebt, was hat Ihnen besonders Spass gemacht, was hat Ihnen eher Mühe bereitet?

Ich schätzte die Flexibilität, die mir mein Studienplan gewährte – so konnte ich problemlos neben der Universität meinen Jobs nachgehen. Für mich war dies eine perfekte Ergänzung und ein idealer Ausgleich.
Was ich absolut nicht vermisse, sind Gruppenarbeiten mit anschliessenden Referaten. Nicht dass ich Mühe mit Vortragen hatte, nein, ich bin einfach eher der Typ, der sich gerne alleine in ein Thema eingelesen hat – so zum Beispiel im Kontext einer Seminararbeit.

Erzählen Sie uns bitte kurz Ihren beruflichen Werdegang nach dem Studium.

Nach meinem Studium standen mir (fast) alle Wege offen – leider. Das war dann doch ein kleines Problem. In welche Richtung sollte es gehen? Irgendwie landete ich im Tourismus. Als Praktikant im Marketing. Ganz klassisch mit einem Bewerbungsschreiben und -gespräch. Dann ging alles ziemlich schnell. Ich arbeitete mich in mein neues Gebiet ein und bekam nach zehn Monaten eine Festanstellung in der Marktbearbeitung. Nach einer kurzen Zeit auf den Märkten nutzte ich die Gelegenheit, um in die PR zu wechseln – das war dann wirklich mein Gebiet. Ich durfte diese Abteilung auch neu ausrichten. Drei Jahre nach dem Praktikum kam dann das Angebot, die Marketingleitung der gesamten Jungfrau Region zu übernehmen. Darauf ging ich natürlich ein.

Beschreiben Sie uns bitte kurz Ihre aktuelle berufliche Tätigkeit, welche Aspekte Sie besonders schätzen und welche weniger.

Meine Tätigkeit besteht einerseits darin, zusammen mit meiner Marketing-, Verkaufs- und Produkt-Abteilung, die Jungfrau Region im In- und Ausland zu vermarkten, die Produkteentwicklung anzukurbeln sowie in Zeiten der digitalen Transformation den Umbruch herbeizuführen.
Andererseits ist viel Diplomatie gefordert, um in Gesprächen mit den lokalen Stakeholdern meinem Team die nötige Freiheit zu garantieren, damit dieses seine Arbeit auch auf den Gast fokussiert erledigen kann.
Das dynamische Umfeld im Tourismus schätze ich sehr, hingegen stören mich die Trägheit der Tourismusbranche sowie ihre Abneigung gegen das Experimentieren. Nur langsam können vorhandene Strukturen aufgebrochen und frische gepflanzt werden.

Welchen Nutzen hat Ihnen das Studium für Ihre aktuelle Tätigkeit gebracht?

Das Studium hat mir insofern geholfen, um an eine Thematik differenziert herangehen zu können, verschiedene Blickwinkel einzunehmen und auch mal Dinge zu hinterfragen – auch wenn es die eigene Kampagne oder Tätigkeit ist. Dies ist in der Branche noch überhaupt nicht verbreitet.
Ebenso ist in meiner aktuellen Tätigkeit das Diskutieren, Präsentieren, Dialoge führen äusserst wichtig. Sprich: Eine Geschäftsleitungssitzung ist nicht wirklich etwas anderes, als die Diskussion nach den Referaten in den Seminaren.

War es nach dem Studium leicht, eine Stelle zu finden?

Nein. Eine passende Stelle zu finden, war sicher nicht einfach. Denn die grösste Hürde ist, ein Vorstellungsgespräch zu erhalten und dann dem zukünftigen Arbeitgeber zu zeigen, was ein geisteswissenschaftliches Studium beinhaltet und wie relevant ein «differenzierter Blick» auf die Materie sein könnte.
In einer dynamischen, schnell lebenden Welt werden Arbeitskräfte, die vernetzt denken können und ein fundiertes Wissen haben, immer gefragter. Mir haben meine Nebenjobs ein Vorstellungsgespräch eingebracht. Mit meinem Studium konnte mein Arbeitgeber zunächst nicht viel anfangen. Dies konnte ich dann aber im Gespräch ändern. Und ich bekam die Chance auf ein Praktikum. Mehr war nicht nötig.

Falls Sie eine berufliche Aktivität ohne direkten Bezug zu den Altertumswissenschaften ausüben, inwiefern vermissen Sie den Bezug zu den Altertumswissenschaften in Ihrer aktuellen Tätigkeit?

Klar, diesen Bezug vermisse ich natürlich – besonders die sehr kopflastige Arbeit. Nichtsdestotrotz gibt es Kanäle und Medien in meiner aktuellen Tätigkeit, die exzellent mit diesem Wissen bespielt werden können. So vor allem im Bereich Storytelling.

André Wellig, Leiter Marketing bei der Jungfrau Region Tourismus AG