Katarzyna Langenegger, Teamleader in einer ICT-Firma und Doktorandin der Archäologie
Katarzyna Ewa Langenegger, Team Leader und Support bei fluxlabs.ch, Learning Management System für Hochschulen und private Unternehmen. Doktorandin an der Universität Basel und Hamburg, Joint PHD.
(Mai 2021)
Welche Fächer haben Sie an welcher Universität studiert?
Bachelor in Archäologie und Geschichte (Alte Geschichte) an der Universität Bern, Master of Archaeology an der Universität Hamburg.
Joint PHD Universität Basel und Universität Hamburg
Wann haben Sie sich für Altertumswissenschaften zu interessieren begonnen und gab es ein Schlüsselerlebnis, das Ihre Studienwahl massgeblich beeinflusst hat?
Recht früh. Ich bin im kommunistischen Polen aufgewachsen und als Schulkind erfuhr ich unterschiedliche «Fakten» zur polnischen Geschichte in der Schule und von meinem Grossvater zu Hause. Die Diskrepanz war so gross, dass ich die wahre Geschichte kennen lernen wollte. Damals wusste ich nicht, dass es so schwer sein kann… So hat mein Abenteuer mit der Vergangenheit begonnen.
Hatten Sie vor dem Studium ein bestimmtes Berufsbild im Kopf, gab es für Sie Vorbilder?
Ich mochte einerseits schon immer die Atmosphäre in der Bibliothek, die Ruhe dort. Andererseits diskutieren und Fakten «ausgraben»… Die Vorbilder änderten sich im Laufe der Zeit. Die Forschung an sich war für mich Vorbild. Reisen und neue Kulturen kennen lernen war auch mein Ziel.
Wie haben Sie das Studium erlebt, was hat Ihnen besonders Spass gemacht, was hat Ihnen eher Mühe bereitet?
In der Schweiz und in Hamburg war die Studentenanzahl so klein, dass man beinahe alle Studierende des eigenen Fachs kannte, das ist sehr familiär… Die Dozenten bauten keine Hürden auf und waren für uns da, trotz der nicht immer einfachen Situation für die Orchideen-Fächer an den Universitäten. Schon nach dem ersten Semester durfte ich an geophysikalischen Prospektionen in Israel teilnehmen, danach folgten Lehrgrabungen in Italien und weitere Projekte des Instituts für Archäologische Wissenschaften Bern in der Türkei und Turkmenistan und der Warschauer Universität auf der Krim und in Georgien. Und genau diese Mischung aus Theorie und Praxis, die familiäre Atmosphäre, machen das Studium so interessant.
Aus welchen Gründen würden Sie einer Maturandin, einem Maturanden raten, ein altertumswissenschaftliches Studienfach zu wählen?
Die richtig gute, beinahe Eins-zu-eins-Betreuung bei der Archäologie. Und das spannende Forschungsfeld, das aus einer Mischung aus Praxis und Theorie besteht. Das sind meiner Meinung nach die wichtigsten Gründen, warum ich Archäologie zu studieren empfehlen würde.
Erzählen Sie uns bitte kurz Ihren beruflichen Werdegang nach dem Studium.
Das Berufliche begann in meinem Fall schon während des Studiums. Durch die Teilnahme an den diversen Projekten des Instituts für Archäologische Wissenschaften der Universität Bern in Israel, Italien und in der Türkei; der Universität von Warschau in Balaklava und Chersones (Krim, Ukraine) und in Gonio Asparos (Georgien).
Ein Praktikum im Münzkabinett in Winterthur war der erste Schritt in die Numismatik. Dort habe ich diverse Aufgaben erfüllt: Neben dem Sammeln der Daten in einer Datenbank durfte ich bei einer temporären Ausstellung mithelfen und habe einen Entwurf einer Typologie der Bätzenprägung erstellt. Danach folgte eine Anstellung beim Inventar der Fundmünzen der Schweiz für unterschiedliche kleinere Projekte.
Die dreijährige wissenschaftliche Assistenz im Projekt «Ikonographie Israels und Palästinas» erfolgte nach dem Master-Abschluss. Gleichzeitig nahm ich an den Ausgrabungen der Vorderasiatischen Abteilung der Universität Bern in Sirkeli Höyük (Türkei) und Gonur Depe (Turkmenistan) teil. Hierfür musste ich den Anstellungsgrad an der Universität um die Hälfte reduzieren, was mit finanziellen Einbussen endete. Da begann ich mir Gedanken zu machen, meine Karriere anders zu gestalten.
Beschreiben Sie uns bitte kurz Ihre aktuelle berufliche Tätigkeit, welche Aspekte Sie besonders schätzen und welche weniger.
Zurzeit bin ich Teamleiterin in einer ICT-Firma [Information and Communication Technology], die Learning Management Systems für diverse Unternehmen anbietet. Zu unseren Kunden gehören Universitäten, Fachhochschulen aber auch private Unternehmen. Die gute Zusammenarbeit, die freundliche Atmosphäre und die Tatsache, dass wir mit unterschiedlichen Kunden zu tun haben, macht die Tätigkeit besonders interessant. Ab und zu gibt es Momente, wo man unter Zeitdruck arbeitet, da muss man einfach «cool» bleiben.
Welchen Nutzen hat Ihnen das Studium für Ihre aktuelle Tätigkeit gebracht?
Die diversen Projekte, an denen ich teilgenommen habe, lehrten mich nicht nur einen klaren Kopf in Stresssituationen zu bewahren, sondern auch, wie wichtig Motivation und der respektvolle Umgang mit allen Mitarbeitern auf der Ausgrabung sind. Dies nahm ich mit in die Firma. Auch das Strukturieren der Fakten, das Trennen des weniger Wichtigen von den relevanten Fakten, ist etwas, was man während des Studiums der Altertumswissenschaften lernt.
Welche Kenntnisse und Fähigkeiten, die für Ihr aktuelles Berufsleben wesentlich sind, haben Sie ausserhalb des Studienkontextes erworben?
Beinahe alles.
Im Rückblick, was erachten Sie als wichtige Voraussetzungen für ein Studium der Altertumswissenschaften? Und welche Ergebnisse haben sich nach Abschluss des Studiums für Sie als relevant erwiesen?
Interesse an diversen Kulturen, Freude am Lernen von Sprachen und Ausdauer bei der Suche nach relevanten Informationen. Keine hohen finanziellen Ansprüche. Bereitschaft, sich den Lebensunterhalt wo anders verdienen zu müssen.
War es nach dem Studium leicht, eine Stelle zu finden?
Hier muss man zwischen Projektanstellungen und fester Anstellung unterscheiden. Das Erste geht meist ohne Probleme. Eine Festanstellung in der Archäologie ist äussert selten.
Sie üben eine berufliche Aktivität ohne direkten Bezug zu den Altertumswissenschaften aus, inwiefern vermissen Sie den Bezug zu den Altertumswissenschaften in Ihrer aktuellen Tätigkeit?
In meiner jetzigen Anstellung habe ich die Möglichkeit, mir jährlich eine Zeit frei zu nehmen, um an Ausgrabungen teilzunehmen. Da ich 60% arbeite, kann ich mich auch mit dem Publizieren der Ergebnisse beschäftigen. Eigentlich kann ich ohne grösseren Aufwand beides verbinden. So einen Arbeitsgeber gibt es jedoch äusserst selten.